Für sich und für andere
Die Pandemie ist schon seit fast einem Jahr in vollem Gang, als wir Sina Shams, der im 9. Fachsemester Humanmedizin an der Charité - Universitätsmedizin Berlin studiert, zum virtuellen Interview treffen. Shams wird von der Stiftung Charité als Deutschlandstipendiat gefördert.
Sina Shams sitzt zu Hause vor seinem Laptop, wie so viele von uns in diesen Zeiten. Sein Medizinstudium an der Charité wurde wo nur irgend möglich auf Online-Lehre umgestellt. Nicht mit Kommilitoninnen und Kommilitonen gemeinsam im Hörsaal sitzen zu können, sondern sich alle Vorlesungen alleine am Computer anzusehen, war für ihn anfangs, wie für sehr viele Studierende, eine große Umstellung. Mit den Online-Seminaren und anderen pandemiebedingten Veränderungen in der Lehre fand er sich jedoch schnell zurecht.
„Die Lehre leidet nicht darunter. Ich finde die Online-Formate teilweise sogar besser als die Präsenzformate. Die Patientenkurse auf Station zum Beispiel, die jetzt ganztägig mit festem Ansprechpartner für die Studierendengruppe organisiert sind, finde ich viel besser als vor der Pandemie.“
Was hingegen maximal leide, sei das Sozialleben. Man ist die meiste Zeit allein: kein gemeinsames Campuserleben, kein gemeinsames Büffeln für die Prüfungen, keine neuen Begegnungen. Doch Shams ist trotz aller Widrigkeiten guter Dinge. Die Pandemie hat ihn im Studium nicht zurückgeworfen und er hat sein Ziel fest im Blick: Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe.
„In der Gynäkologie und Geburtshilfe betreut man von der Geburt bis zum Lebensende eine ganze Palette an Krankheitsbildern.“
Der Zufall und eine beeindruckende Hospitation bei einem engagierten Assistenzarzt haben ihn zu diesem Fachgebiet geführt. Bei Frau Dr. Maria Margarete Karsten (selbst Geförderte der Stiftung Charité; zum Interview mit ihr hier), Brustkrebsspezialistin am Brustzentrum der Charité, verfasst er seine Doktorarbeit. Der darin von ihm untersuchte neue Tracer zur Detektion von potentiell malignen Lymphknoten bei Brustkrebspatientinnen findet inzwischen Anwendung in der klinischen Routine am Campus Mitte. Dass er schon jetzt mit seiner wissenschaftlichen Arbeit eine reale Verbesserung für Patientinnen bewirken konnte, ist für ihn ein großer Ansporn.
„Bildung wird im Iran großgeschrieben. Meinen Eltern, war es immer sehr wichtig, mir zu vermitteln, dass man alle Chancen, die man erhält, auch nutzt. Das treibt mich innerlich an.“
Förderprogramm
Deutschlandstipendium
Förderzeitraum
Seit 2020
Fachgebiet
Humanmedizin
Institution
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Seit 2016
Medizinstudium an der Charité – Universitätsmedizin Berlin
Seit 2019
Doktorand in der AG Karsten-Speiser der Klinik für Gynäkologie der Charité Campus Mitte
2019
Auslandsfamulatur in der Traumatologie und Orthopädie des Korle Bu Teaching Hospitals in Accra, Ghana
Shams ist in Stuttgart geboren und in München aufgewachsen. Seine Eltern, die Mutter Apothekerin, der Vater Ingenieur, flohen aus dem Iran vor Krieg und Revolution. Shams ist sich stets bewusst, dass ihm ganz andere Türen offenstehen als damals seinen Eltern. Er ist froh, dass es ihm finanziell, auch dank des Deutschlandstipendiums, gut geht und er sich auf sein Studium konzentrieren kann.
„Was mich von meinem besten Freund unterscheidet, ist mein Migrationshintergrund.“
Ganz offen geht er damit um. Dieser besondere Hintergrund und die Kultur, in der er aufgewachsen ist, machten ihn nun einmal zum größten Teil aus, sagt er. Er spricht fließend Persisch und spätestens beim Kochen, was er in der Pandemie viel häufiger tut als früher, machen sich seine Wurzeln besonders bemerkbar. Wenn die Pandemie nicht dazwischengekommen wäre, würde er sich jetzt durch Vermittlung einer Hilfsorganisation in Berlin neben dem Studium um ein geflüchtetes Kind aus dem Iran, Afghanistan oder Syrien kümmern. Der eigene Migrationshintergrund helfe dabei, die Probleme und die Herausforderungen der Betroffenen besser zu verstehen.
Auf seine eigene Zukunft angesprochen kann sich Shams gut vorstellen noch einmal ins Ausland zu gehen. Vielleicht zieht es ihn für einen PhD an die Universität Hongkong. In jedem Fall möchte er später in einer größeren Klink arbeiten.
Zum Schluss lassen wir noch ein wenig die Fantasie spielen. Auf die Frage, mit welchen drei Personen er sich gerne einmal zu einem fiktiven Dinner treffen würde, antwortet Shams:
„Ich würde gern mit dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Nahen Ostens sprechen, Mohammad Mossadegh †. Dazu noch Michelle Obama und, weil ich ein großer Fußballfan bin, Thierry Henry.“
Dezember 2020 / Marie Hoffmann