Stifterin & Geschichte
Die Stiftung Charité wurde 2005 von der Unternehmerin Johanna Quandt (1926–2015) gegründet. Sie ist eine unabhängige, privatrechtliche und gemeinnützige Stiftung mit dem Zweck, die Lebenswissenschaften und die Universitätsmedizin in Berlin in der gesamten Breite von Wissenschaft, Forschung, Bildung und Gesundheitsversorgung zu fördern.
Die Gründung der Stiftung Charité geht auf eine enge Verbindung von Johanna Quandt mit Berlin und der Medizin zurück. Sie ist in der Stadt geboren, aufgewachsen und dort zur medizinisch-technischen Assistentin ausgebildet worden. Die Berufswahl geprägt hat auch das gute Verhältnis zu ihrem Großvater: Max Rubner (1854–1932).
Max Rubner zum Vorbild
Max Rubner ist zu jener Generation von Berliner Wissenschaftlern zu zählen, die heute vor allem mit Namen wie Rudolf Virchow, Hermann von Helmholtz, Robert Koch, Paul Langerhans, Paul Ehrlich oder Emil von Behring verbunden ist. Rubner studierte Medizin und Chemie, bevor er zum Pionier auf dem Gebiet der Ernährungsphysiologie wurde. Nach akademischen Stationen in Leipzig, München und Marburg wurde er im Jahr 1891 an die Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin (heute: Humboldt-Universität zu Berlin und Charité – Universitätsmedizin Berlin) berufen, um dort die Nachfolge von Robert Koch auf dessen Lehrstuhl für Hygiene anzutreten. In verschiedenen Positionen (u. a. Direktor des neuen Hygiene-Instituts ab 1904, Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin ab 1906, Übernahme des Lehrstuhls für Physiologie in der Nachfolge von Theodor Wilhelm Engelmann ab 1909, Rektor der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin in den Jahren 1910 und 1911, Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie ab 1913) blieb er der Universitätsmedizin in Berlin bis zu seinem Tod im Jahr 1932 erhalten. In dieser Zeit baute er seine ernährungsphysiologischen Arbeiten aus, etwa durch die Weiterentwicklung des Kalorimeters zur Bestimmung des Energiewertes von Nahrung oder durch die Erfindung der bis heute bekannten Kalorientabelle. Er weitete seine Forschungen auch auf die Gebiete der allgemeinen Physiologie, der Arbeitsmedizin und der Hygieneforschung aus. Max Rubner erforschte dabei nicht nur wichtige Grundlagenprinzipien dieser Fächer wie etwa die Wirkung organischer Nährstoffe oder das Oberflächengesetz, sondern widmete sich stets auch den Anwendungsmöglichkeiten seiner Forschungsergebnisse und trug zur Bewältigung konkreter Gesundheitsprobleme seiner Zeit bei, die im Zusammenhang mit der zunehmenden Industrialisierung und Urbanisierung sowie der Mangelernährung und den verschlechterten Lebensverhältnissen während des Ersten Weltkriegs auftraten.
Im Sinne dieses Lebenswerks ihres Großvaters gründete Johanna Quandt die Stiftung Charité ebenfalls mit dem Ziel, die heutigen Lebenswissenschaften grundsätzlich und in ihrem gesamten Spektrum von Forschung und Lehre über den Wissens- und Technologietransfer bis zur Versorgung von Patientinnen und Patienten zu fördern.
Unternehmertum meets Wissenschaft
In den ersten Jahren nach der Gründung konzentrierte sich die Stiftung Charité zunächst darauf, unternehmerisches Denken und Handeln an der Charité – Universitätsmedizin Berlin zu fördern. Insbesondere mit eigenen Veranstaltungen und Initiativen wurden wirtschaftliche Potenziale in einem zu Anfang des 21. Jahrhunderts noch stark der öffentlichen Verwaltung verhafteten Wissenschafts- und Gesundheitswesen analysiert und entsprechende Konsequenzen reflektiert. Neben einzelnen Veranstaltungen und Workshops wurde in diesem Zusammenhang im Jahr 2007 erstmalig der „Entrepreneurship Summit“ von der Stiftung Charité organisiert, der in den Folgejahren zu einem regelmäßigen und zunehmend internationalen Zusammentreffen unterschiedlicher Akteure aus dem Ökosystem biomedizinischer Innovationen avancierte. Die Stiftung Charité begann außerdem sehr früh damit, Förderprogramme im Bereich des Technologietransfers zu entwickeln und auszuschreiben. So wurde beispielsweise im Jahr 2009 der Max Rubner-Preis ins Leben gerufen, um strukturell angelegte Veränderungsideen auszuzeichnen und innovative Pilotvorhaben zu ermöglichen. Außerdem wurde mit der Validierungsförderung ein Programm entwickelt, das vielversprechende Einzelprojekte zur Überführung von Forschungsergebnissen in die konkrete Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Diagnostika oder Therapeutika, Medizinprodukten oder Versorgungsdienstleistungen unterstützte. Viele der Maßnahmen und Förderprogramme haben dazu geführt, dass der Technologietransfer heute als selbstverständliche Aufgabe der Berliner Universitätsmedizin angesehen und verfolgt wird. Die StiftungCharité engagiert sich auch selbst weiterhin in der Innovationsförderung als ihrem ältesten Schwerpunkt.
Eine einmalige private Exzellenzinitiative entsteht
Im Jahr 2012 entschied sich Johanna Quandt, die Berliner Lebenswissenschaften nochmals stärker zu unterstützen und stellte der Stiftung Charité im Rahmen ihrer Privaten Exzellenzinitiative Johanna Quandt eine gesonderte Zuwendung in Höhe von 40 Millionen Euro (zusätzlich zum ohnehin bestehenden Stiftungsvermögen) für einen zehnjährigen Zeitraum von 2013 bis 2022 zur Verfügung – bis heute eine der größten Zuwendungen einer Privatperson in Deutschland. Die Private Exzellenzinitiative stand im Zusammenhang mit der Gründung des Berlin Institute of Health und dessen umfangreicher öffentlicher Finanzierung von Seiten des Bundes und des Landes Berlin. Mit der Privaten Exzellenzinitiative flankierte die Stiftung Charité den Aufbau und die Weiterentwicklung des Berlin Institute of Health und seiner translationalen Kooperation mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) durch unterschiedliche Programme zur Förderung der Wissenschaft. Der Schwerpunkt lag dabei insgesamt auf der Förderung von herausragenden Wissenschaftspersönlichkeiten in allen Phasen der wissenschaftlichen Entwicklung vom Studium bis zur Professur.
Die Bilanz der Privaten Exzellenzinitiative lässt sich sehen: In den 18 unterschiedlichen Programmen wurden 270 Förderbewilligungen ausgesprochen und 569 unterschiedliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefördert. Die Geförderten verteilen sich über alle Karrierestufen und lebenswissenschaftlichen Fachgebiete hinweg. Unter ihnen befinden sich drei Nobelpreisträger, 34 Geförderte des European Research Council (ERC Grantees) und vier Leibniz-Preisträgerinnen und ‑Preisträger. Außerdem gehören viele Fellows und Gäste von Medizinischen Fakultäten oder Universitätsklinika im Ausland dem Kreis der Geförderten an, sodass auch die Förderung der Internationalisierung zu einem Markenzeichen der Privaten Exzellenzinitiative werden konnte. Einige der Programme der Stiftung Charité waren dabei so innovativ, dass sie von anderen Fördereinrichtungen übernommen oder adaptiert worden sind. Hierzu zählen nicht zuletzt das Clinician Scientist-Programm, das von der Stiftung Charité zur Förderung von klinischen Forscherinnen und Forschern in der Phase der fachärztlichen Weiterbildung entwickelt und pilotiert worden ist, die Johanna Quandt-Professuren, die bereits frühzeitig auf die Förderung von Frauen mit einem echten Tenure Track und auf thematische Offenheit bei der Ausschreibung von Professuren gesetzt haben, und das Programm für Einstein BIH Visiting Fellows, das die internationalen Kooperationen führender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland auf ein neues Niveau gehoben hat. Mit der Privaten Exzellenzinitiative hat sich in den Jahren 2013 bis 2022 insgesamt die Wissenschaftsförderung als ein zweiter großer Schwerpunkt der Stiftungstätigkeit herausgebildet.
Die Zukunft fest im Blick
Angesichts des Auslaufens der Privaten Exzellenzinitiative und vor dem Hintergrund der Erfolge in der Wissenschaftsförderung haben Stefan Quandt, der nach dem Versterben seiner Mutter im Jahr 2015 auch die Nachfolge in den Gremien der Stiftung übernommen hat, und seine Schwester Susanne Klatten bereits im Jahr 2021 entschieden, die Arbeit der Stiftung Charité auch künftig mit zusätzlichen privaten Zuwendungen zu unterstützen. Diese erweiterte Finanzierung erlaubt es der Stiftung Charité seit 2022, sowohl den Schwerpunkt der Innovationsförderung als auch den der Wissenschaftsförderung fortzuführen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Die privaten Mittel der Unternehmerfamilien Quandt und Klatten ermöglichen es außerdem, unter dem Titel „Open Life Science“ einen dritten Schwerpunkt der Stiftungsarbeit zu etablieren. Dessen Ziel ist es, die Vertrauenswürdigkeit der Lebenswissenschaften zu steigern und auf eine neue Grundlage zu stellen, die die breite Öffentlichkeit stärker berücksichtigt und auf gesellschaftlicher Nachvollziehbarkeit und Teilhabe beruht. Die Stiftung Charité setzt dabei zunächst an der Schnittstelle von Wissenschaft und Medien an und entwickelt neuartige Förderangebote im Bereich der Wissenschaftskommunikation.
Diese unterschiedlichen Phasen in der noch vergleichsweise jungen Geschichte der Stiftung Charité unterstreichen, dass sie nicht nur von einer Unternehmerin gegründet worden ist, sondern sich bis in die Gegenwart als private und unternehmerisch geprägte Stiftung positioniert – Innovation und Zukunft fördernd, aber auch selbst innovativ und zukunftsoffen.