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Aortenklappenstenosen und Gebrechlichkeit: Schritt halten mit technischer Innovation

Herr Professor Knebel, was fasziniert Sie am Forschen?

Ganz Vieles. Ich bin der Meinung, dass sich die Medizin sehr schnell weiterentwickelt. Die Forschung begleitet den technischen Fortschritt und generiert andererseits neue Fragestellungen, die wieder technischen Fortschritt ermöglichen. Nach dem Studium dachte ich, Medizin wäre eine relativ starre Sache. Aber darin steckt so viel Dynamik und es gibt eigentlich kaum Grundfesten, die nicht ständig hinterfragt werden. Das war mir anfangs nicht klar, jetzt finde ich es faszinierend, beim Hinterfragen dabei sein zu können.

Es schreckt Sie also nicht ab, sich immer weiterzubilden, immer neu lernen zu müssen und sich nie auf ihrem Wissen ausruhen zu können?

Ganz im Gegenteil: es macht sogar Spaß. Mich würde es abschrecken, wenn ich mich nicht weiterbilden müsste.

Sie sind leitender Oberarzt und forschen gleichzeitig: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Mein Arbeitsalltag umfasst das gesamte bunte Spektrum der Kardiologie. Von konservativer Kardiologie – also in erster Linie Herzbildgebung – über stationäre Versorgung hin zu ambulanter Versorgung oder Herzkatheteruntersuchungen. Darüber hinaus habe ich auch Dienste in der Notaufnahme und bin insgesamt stark in die klinische Versorgung der Patienten involviert. In dem Forschungsprojekt untersuchen wir, inwiefern auch alte und gebrechliche Menschen mit einer hochgradigen Aortenstenose von dem Einsatz einer Herzklappe profitieren.

Können Sie das genauer erklären?

Eine Aortenklappenstenose ist eine Verengung derjenigen Herzklappe, die zwischen der linken Herzkammer und der Aorta dazu führt, dass der gesamte Körper mit Blut versorgt wird. Mit zunehmendem Alter verkalkt diese Klappe manchmal und wird dadurch verengt. Es gibt mittlerweile elegante Methoden, um diese Herzklappenverengung zu therapieren, indem man über die Gefäße eine neue Klappe einsetzt. Dafür muss der Brustkorb im Gegensatz zu den früheren, konventionellen Methoden nicht mehr geöffnet werden. Dies ist zu einem weit verbreiteten Eingriff geworden und die wissenschaftlich interessante Frage ist: Profitieren alle Patienten gleichsam davon? Die Frage stellt sich insbesondere für alte und gebrechliche Patienten, die in ihrem Leben weniger körperlich aktiv sind. Für die Beantwortung dieser Frage ermitteln wir die Gebrechlichkeit der Patienten, zum Beispiel über ihre Bewegungs- und Merkfähigkeiten, sowie den Erfolg der Herzklappenimplantation. Es geht dabei nicht um den unmittelbaren Erfolg, ob es technisch möglich war, die Klappe einzusetzen. Stattdessen wollen wir wissen, ob der Patient längerfristig davon profitiert, wie schnell er sich erholt und wie sehr er sich im Anschluss belasten kann. Im ersten Schritt möchten wir beobachten, wie stark der Zusammenhang zwischen Gebrechlichkeit und dem Erfolg des Eingriffs ist.

Fabian Knebel

Förderprogramm

BIH Clinical Fellows

Förderzeitraum

2016 bis 2018

Vorhaben

Identifizierung von Prädiktoren für günstiges Outcome nach interventionellem Aortenklappenersatz (TAVI)

Fachgebiet

Kardiologie

Institution

Charité – Universitätsmedizin Berlin

 

2015

Ernennung zum außerplanmäßigen Professor, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Seit 1999

Assistenz-, Fach- (Innere Medizin und Kardiologie) und Oberarzt an der Medizinischen Klinik m.S. Kardiologie und Angiologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin

1992 bis 1999

Medizinstudium in München, London (Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes), Berlin und den USA

Der zweite Schritt ist dann die Auswertung, bei wem der Eingriff überhaupt sinnvoll war?

Genau. Im Hintergrund steht die spannende Frage, ob ein Teil der Gebrechlichkeit, die diesen Patienten attestiert wird, nicht sosehr Ausdruck einer geistigen oder körperlichen Minderleistung ist, sondern der Herzklappenerkrankung selbst. Dann müsste man das Konzept der Gebrechlichkeit revidieren. Die Patienten hätten primär ein Problem mit der Klappe und wären, wenn man dieses behebt, auch wieder leistungsfähiger.

Wie kamen Sie auf die Fragestellung?

Die Frage hat uns grundsätzlich beschäftigt, weil wir jeden Tag damit konfrontiert werden. Menschen werden älter, also haben wir viele ältere, gebrechliche Patienten. Dadurch kommt es zu Erkrankungen, die früher nie aufgetaucht wären, auch die Aortenklappenstenose. Wir müssen diesen Menschen eine Lösung bieten. Es ist keine Option, zu sagen: "Wir können technisch eine Klappe einbauen – ob Ihnen das hilft, wissen wir nicht.“

Was war bisher die größte Herausforderung?

Erstens ist die Entwicklung dieser Klappenimplantation ein unglaublich dynamisches Feld. Es kommen kontinuierlich neue und bessere Klappen auf den Markt. Dadurch hinken wir mit unseren Analysen dem technischen Fortschritt hinterher. Zweitens befindet sich auch die Definition der Gebrechlichkeit im Wandel, da man wissenschaftlich immer mehr davon versteht. Sowohl unsere Methode als auch die Therapie, die wir auswerten, verändern sich ständig.

Was würden Sie jüngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit auf den Weg geben?

Immer hartnäckig bleiben, dranbleiben und die Augen aufhalten. Es gibt diesen schönen englischen Ausdruck „think beyond the expectations“. Wir sollten das Offensichtliche nicht für gegeben halten, sondern uns stets fragen: Ist das, was dort steht, wirklich so sicher und sind unsere wissenschaftlichen Grundfesten wirklich so fest?

September 2017 / TO