Von der Trainerbank ans Krankenbett
Herr Gohlisch, Sie haben vor Kurzem Ihr Studium abgeschlossen, und beginnen jetzt an einer Kinderklinik Ihre Facharztausbildung. Warum haben Sie sich für Kinderheilkunde entschieden?
Ich denke, dass Kinder manchmal die ehrlicheren Patienten sind. Sie verschlimmern oder verheimlichen nichts. Sie hatten auch nie die Möglichkeit, durch einen selbstbestimmten Lebenswandel zu ihren eigenen Krankheiten beizutragen und sind, falls man das so sagen kann, nie schuld an ihrer Erkrankung. Das ist aber nicht der einzige Grund. Ich habe meine Doktorarbeit über Adipositas bei Kindern geschrieben. Darüber hinaus habe ich schon immer gerne mit Kindern gearbeitet und war auch lange Jugendtrainer im Sportverein. Auch mag ich das Arbeitsklima in dieser Klinik, dort war ich bereits während meines Praktischen Jahres tätig.
Inwieweit ist die Adipositas denn genetisch bedingt und inwieweit von den Lebensumständen geprägt?
Es gibt genetische Faktoren, die einen Einfluss haben. Adipositas ist aber in großem Maße davon abhängig, wie man sich ernährt und wie viel man sich bewegt. Das Thema gewinnt insbesondere bei Kindern an Wichtigkeit, seitdem sie immer mehr fernsehen, Computer spielen und sich dabei weniger bewegen. Bei dieser Entwicklung spielen die Eltern eine große Rolle. Ich selbst habe immer viel Sport gemacht und habe auch außerhalb meines Faches den Wunsch, Kinder zum Sport zu motivieren.
Wie setzen Sie das um?
Ich habe früher leistungsmäßig Basketball gespielt. Da habe ich mich viele Jahre im Verein engagiert und auch Kindergruppen trainiert. Bei meinem Verein im Wedding ist die soziale Komponente, also Integration durch Sport, aufgrund seiner Lage präsent. Auch wenn es kitschig klingen mag, aber ich habe manche Spieler lange begleitet und freue mich riesig, wenn sie jetzt beispielsweise ein Studium aufnehmen. Das hätte nicht unbedingt so kommen müssen, da einige Kinder ganz andere Startvoraussetzungen haben als ich es beispielsweise hatte. Sie müssen einen weiteren Weg gehen. Es ist schön, wenn der Verein und auch ich da helfen können.
Hat Sie der Sport sehr geprägt?
Förderprogramm
Deutschlandstipendium
Förderzeitraum
2015 bis 2017
Fachgebiet
Humanmedizin
Institution
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Seit 2017
Assistenzarzt für Pädiatrie am Sana Klinikum Lichtenberg Berlin
Seit 2015
Promotion am Institut für pädiatrische Endokrinologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
2010 bis 2017
Medizinstudium an der Charité – Universitätsmedizin Berlin
Ich denke schon. Ich habe dort auf jeden Fall gelernt, mich zu disziplinieren, ein Zeitmanagement aufzubauen, im Team zu arbeiten. Als Trainer habe ich auch gelernt, andere zu motivieren und mit Gruppendynamiken umzugehen – ich denke, dass mir das jetzt auch im Krankenhaus hilft. Meine Berührungsängste gegenüber fremden Menschen sind geringer geworden.
Worum geht es bei Ihrer Doktorarbeit?
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Geschmackssinn von übergewichtigen Kindern. Die Forschung hat gezeigt, dass übergewichtige im Vergleich zu normalgewichtigen Kindern verschiedene Geschmäcker schlechter erkennen. Ich habe mir deswegen angesehen, ob bei Kindern, die abnehmen, mit der Zeit der Geschmackssinn auch wieder besser wird. Und es ist tatsächlich so, mit gewissen Einschränkungen.
Wie haben Sie das herausgefunden?
Gemeinsam mit einer Rehaklinik, in welche die Kinder unter anderem zum Abnehmen kommen, habe ich eine Studie durchgeführt. Ich habe vor und nach der Gewichtsabnahme den Geschmackssinn der Kinder getestet und die Ergebnisse dann am Ende verglichen.
Wie testet man genau den Geschmackssinn?
Ich habe Papierstreifen genutzt, die mit bestimmten Flüssigkeiten imprägniert sind. Die Kinder müssen darauf herumlutschen und mir sagen, ob es süß, sauer, salzig, bitter oder umami schmeckt.
Bitte was?
Umami – das bedeutet in etwa wohlschmeckend und wird durch Glutamat ausgelöst. Es wurde erst später entdeckt, hat aber einen eigenen Rezeptor und ist somit nicht nur Verstärker, sondern eine eigenständige Geschmacksrichtung.
August 2017 / TO