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Auf der Suche nach seltenen Türöffnern für junge Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose

Dr. Simon Gräber wechselt als Clinician Scientist zwischen der Patientenversorgung in der Klinik und der Forschung im Labor. Der angehende Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ist Spezialist für Mukoviszidose oder auch cystische Fibrose, einer seltenen erblichen Stoffwechselerkrankung, die oft schon im Kindesalter in Erscheinung tritt. Die Krankheit war früher mit einer geringen Lebenserwartung verbunden. Inzwischen gibt es sehr gute Therapiemöglichkeiten, aber noch nicht für alle Patientinnen und Patienten gleichermaßen. Wir sprechen mit dem von der Stiftung Charité geförderten Clinician Scientist über seine Forschung, seine Patientinnen und Patienten und nicht zuletzt über seine persönliche Motivation.

Dr. Gräber, Sie befassen sich in Ihrem Forschungsprojekt mit der pharmakologischen Modulation von seltenen CFTR-Mutationen. Was kann man sich darunter vorstellen?

Die Ursache der Mukoviszidose liegt in den Mutationen eines Gens, dem sogenannten CFTR-Gen. Die Abkürzung steht für „Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator“. Es gibt rund 2.000 verschiedene Mutationen dieses Gens. Einige von ihnen treten deutlich häufiger auf als andere. 90 Prozent der Betroffenen haben häufige Mutationen. Hier wurden Medikamente entwickelt, die inzwischen sehr gut helfen. Doch bei 10 Prozent der Patientinnen und Patienten liegen seltene Mutationen vor. Für diese Gruppe, also den seltenen Fällen, gibt es derzeit noch keine Medikamente. Ihnen wollen wir mit unserer Forschung helfen.

Wie genau wollen Sie diesem kleineren Teil der Mukoviszidose-Erkrankten helfen?

Für diese Patientengruppe werden Medikamente entwickelt, die den defekten Chlorid-Kanal, der typischerweise bei Mukoviszidose auftritt, repariert. Im Grunde kann man sich das vorstellen wie eine Tür. Die Tür muss offen sein, damit der Schleim sich lösen kann. Bei unseren Patientinnen und Patienten ist diese Tür aber kaputt. Sie ist verschlossen bzw. klemmt. Das Medikament muss die Tür aufschließen, öffnen und offenhalten. Weil wir hierfür bisher keine Gentherapie haben, arbeiten wir pharmakologisch, also medikamentös. Diese Medikamente werden aktuell allerdings nur für Patienten mit häufigen Mutationen zugelassen. Wir versuchen mit neuen Methoden zu untersuchen, ob bereits zugelassene oder in der Entwicklung befindliche Medikamente auch bei einzelnen Patienten mit seltenen Mutationen eine Wirkung haben könnten.

Mukoviszidose kennt man vor allem als Erkrankung, die schon im Kindesalter auftritt. Wer sind Ihre Patientinnen und Patienten?

Wir behandeln tatsächlich viele Kinder. Früher war es für die Familien oft eine lange Odyssee durch das Gesundheitswesen, bis sie die richtige Diagnose für ihr krankes Kind bekamen. Damals war also die Diagnosestellung psychologisch oft eine Erleichterung für die Betroffenen. Seit 2016 gibt es in Deutschland ein flächendeckendes Neugeborenen-Screening. Das ist hervorragend, weil man die Fälle früher erkennt und Therapien früher beginnen kann. Psychologisch ist es so für die Familien schwieriger. Sie dachten, ihr Kind sei gesund, und plötzlich erfahren sie, dass es eine seltene Erbkrankheit hat. Sensible Kommunikation und Information ist hierbei sehr wichtig. Die Medizin hat in den letzten Jahren besonders im Bereich der Mukoviszidose große Fortschritte gemacht. Früher haben erkrankte Kinder das Erwachsenenalter nicht erreicht. Heute sind wir bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von ca. 50 Jahren. Dazu gibt es bei der Mukoviszidose auch seltene Mutationen mit milden Verläufen, die erst im Alter von 30, 40 oder 50 Jahren zu klinischen Problemen führen. Wir betreuen also auch Betroffene im Erwachsenenalter.

Simon Gräber

Förderprogramm

BIH Charité Clinician Scientists

Förderzeitraum

2018 bis 2020

Vorhaben

Funktionelle Charakterisierung und pharmakologische Modulation von seltenen CFTR Mutationen

Fachgebiet

Kinder- und Jugendmedizin, Pneumologie

Institution

Charité -- Universitätsmedizin Berlin

 

Seit 2018         

Facharztausbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und wissenschaftlicher Mitarbeiter, Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Pneumologie, Immunologie und Intensivmedizin, Charité - Universitätsmedizin Berlin 

2012 bis 2018

Facharztausbildung zum Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Heidelberg

Warum haben Sie begonnen, sich mit dieser Krankheit zu beschäftigen?

Meine Begeisterung für die Kinder- und Jugendheilkunde war bereits im Studium vorhanden. Der Zufall wollte es, dass mich der Sport zur Mukoviszidose-Forschung geführt hat. Ich spielte Lacrosse und in unserem Team waren Kollegen, die im Labor von Professor Mall arbeiteten. Sie suchten noch Mitarbeiter für ein Mukoviszidose-Projekt und so kam ich zum Thema meiner Doktorarbeit und zur Mukoviszidose – vom Lacrosse ins Labor sozusagen.

Das von der Stiftung Charité initiierte Clinician Scientist Programm soll Ihnen garantieren, dass Sie neben der Versorgungstätigkeit und der für den Facharztabschluss nötigen Weiterbildung weiter forschen können – durch die geschützten Zeiten für die Wissenschaft. Klappt das in Ihrem Alltag?

Die geschützten Zeiten für die Forschung sind für mich besonders wertvoll. Vor ein paar Jahren bin ich Vater geworden. Prioritäten verschieben sich. Die klassische „Feierabendforschung“ kam für mich nicht mehr in Frage und ich glaube, dass man qualitativ exzellente Forschung nur im Rahmen eines solchen Programms leisten kann. Man braucht dafür wirklich konzentrierte Zeit. Nebenbei ist das eigentlich kaum zu leisten. Die Arbeit am Patienten wiederum ist sehr wichtig für mich und gibt mir unglaublich viel zurück. Man erfährt so die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und bekommt die direkte Rückmeldung und gerade das ist wichtig für die Forschung. Deshalb ist das Clinician Scientist-Programm so wertvoll. Es bringt Ärzte und den klinischen Blick, der in den Grundlagenwissenschaften häufig fehlt, in die Forschung. So kann man viel besser Forschung betreiben, die letztendlich den Patientinnen und Patienten nützt.

Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen einer rein klinischen Tätigkeit und der freien Forschung?

Ein großer Unterschied, den ich zwischen der klinischen und wissenschaftlichen Arbeit wahrnehme, liegt in den Fehlerkulturen. An einem Tag in der Klinik möchte und sollte man alles richtig machen. Es geht darum, sich an gewisse Leitlinien zu halten und Fehler tunlichst zu vermeiden. Ein Scheitern in der Klinik ist immer auch ein persönliches Scheitern. Abends grübelt man darüber, was falsch gelaufen ist und dass so etwas nicht passieren darf. In der Forschung ist es anders. Hier bedeutet Scheitern eher Vorankommen. Aus jedem Scheitern eines Experiments kann man etwas lernen, neue Erkenntnisse gewinnen und neue Energie ziehen. Wenn etwas im Labor nicht klappt, dann versucht man, etwas Positives daraus zu ziehen. In der Klinik ist das eher selten.

Wo finden Sie einen Ausgleich zu Ihrer anspruchsvollen Arbeit?

Wenn ich nicht in der Klinik oder im Labor bin, findet man mich auf den Spielplätzen Berlins oder auf dem Fahrrad auf dem Weg ins Grüne.

Eine spielerische Frage zum Schluss. Mit welchen drei Personen – lebendig oder tot – würden Sie sich gern einmal zu einem fiktiven gemeinsamen Abendessen treffen?

  • Colin Kaepernick. Er ist ein amerikanischer Quarterback, der sich schon sehr früh gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA eingesetzt hat, sich aus Protest während der Nationalhymne hingekniet hat und dadurch seit Jahren keine Anstellung mehr in der NFL findet.
  • Dr. Stephan Illing. Er ist Kinderpneumologe in Stuttgart, der viel Begeisterung für das Fach und für die Patienten mitbringt und eine sehr motivierende Persönlichkeit hat. Ich habe nie viel direkt mit ihm zusammengearbeitet, aber immer wenn man ihn auf Kongressen trifft, ist es sehr inspirierend.
  • Professor Richard Boucher. Er ist eine Koryphäe und Chef der Mukoviszidose-Forschung an der University of North Carolina in Chapel Hill. Ich habe ihn zwar schon einmal getroffen, aber mit ihm würde ich mich gern einmal ausführlich unterhalten.

Juni 2020 / Marie Hoffmann