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Wie die Mutter, so das Kind - Humboldt-Stipendiatin aus Finnland erforscht Stressübertragung

Die finnische Psychologin und Wissenschaftlerin Saara Nolvi befasst sich damit, wie sich mütterlicher Stress auf die kognitive und emotionale Entwicklung des Kindes im Mutterleib auswirkt. Mit dem Wunsch, ihre Forschung und ihre Deutschkenntnisse aus der eigenen Schulzeit zu vertiefen, ist sie zurzeit als Humboldt-Forschungsstipendiatin, gefördert von der Stiftung Charité, in Berlin zu Gast. Wir haben ihr bei der Arbeit über die Schulter geblickt.

Saara Nolvi begleitet über 100 Mutter-Kind-Paare. Wenn sie morgens im Institut für Medizinische Psychologie der Charité in Berlin-Mitte eintrifft und sich ihrem Forschungsprojekt widmet, befasst sie sich mit der Auswertung großer Datenmengen aus Kalifornien und vergleicht diese mit vorliegenden Daten aus Finnland: Die Mutter-Kind-Paare wurden von der Schwangerschaft bis zum 5. Geburtstag des Kindes beobachtet. Wie gestresst waren diese Mütter? Welche Auffälligkeiten gab es in der kognitiven und emotionalen Entwicklung der Kinder? Und wie hängt beides zusammen?

Diesen Fragen geht Nolvi schon lange nach. Sie hat zunächst Sonderpädagogik studiert, danach Psychologie und promovierte auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie. In einer Klinik in Turku, einer Stadt am Meer in Finnlands Südwesten, die für ihre Schärenlandschaft bekannt ist, begegnen ihr Kinder und Jugendliche mit Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS), Depressionen oder Angststörungen. Nolvi möchte den frühen biologischen Ursachen solch krankhafter Emotionsstörungen auf den Grund gehen. In ihrer Forschung untersucht sie jene Gehirnareale, die in der frühen menschlichen Entwicklung der kognitiven und emotionalen Funktionsfähigkeit zugeordnet werden. In der Tat zeigen die im Magnetresonanztomografen (MRT) entstandenen Aufnahmen der Gehirne von Kindern, deren Mütter besonders gestresst waren, neuronale Auffälligkeiten, die für die spätere Entwicklung und die Anfälligkeit für oben genannte Krankheiten und Störungen relevant sind. Das Wissen um diesen Zusammenhang, der eine potentielle Erklärung für die auftretenden Schwierigkeiten bei den Kindern liefert, kann Ärzt/inn/en und Therapeut/inn/en helfen zu intervenieren, bevor die neuronale Basis für die negative Entwicklung gebildet wird. Den Müttern, Vätern und Angehörigen zu helfen sowie Prävention sowohl auf klinischer als auch auf politischer Ebene zu fördern, beschreibt Nolvi als größte Motivation für ihre klinische Arbeit und Forschung.

Dass sich Saara Nolvi in Berlin dank des zwölf-monatigen Stipendiums voll und ganz ihrer Forschung widmet, ist für sie eine besondere Zeit. Dies an der renommierten Charité zu tun, mit anerkannten Spezialistinnen und Spezialisten ihres Fachgebiets wie etwa ihrer Gastgeberin Prof. Dr. Claudia Buß, ist zugleich ihre bisher größte Herausforderung als auch ihr größter Erfolg auf ihrem Weg als aufstrebende Wissenschaftlerin. In ihrem beruflichen Alltag in Finnland wechseln sich Forschungstätigkeit und therapeutische Arbeit ab. Nolvi möchte beides miteinander verbinden, denn sie schätzt die unterschiedlichen geistigen Impulse, die beide Welten bieten, sehr. So können die Erkenntnisse aus dem einen Bereich die Arbeit im jeweils anderen bereichern.

An Berlin mag Nolvi insbesondere die überall sichtbare Geschichte der Stadt, ihre Vielfältigkeit, ihr breites kulturelles Angebot und nicht zuletzt die guten Anbindungen der öffentlichen Verkehrsmittel, die es ihr erlauben, naturnah zu wohnen und trotzdem schnell im Stadtzentrum zu sein. Als besonderen Ausflug empfiehlt sie eine Fahrt nach Potsdam.

Saara Nolvi

Förderprogramm
Humboldt-Forschungsstipendien am BIH

Förderzeitraum
2018 bis 2019

Fachgebiet
Psychiatrie, Psychologie

Vorhaben
Pränataler Stress, strukturelle Charakteristiken im Gehirn Neugeborener und kindliche selbstregulatorische Entwicklung: Studie in zwei Geburtskohorten

Institution
Charité – Universitätsmedizin Berlin, Institut für Medizinische Psychologie

 

2013 bis 2017

PhD, Institut für Kinder- und Jugenpsychiatrie, Medizinische Fakultät, University of Turku, Finnland

2011 bis 2013

Master of Arts, Psychologie, University of Jyväskylä, Finnland

2007 bis 2011

Master of Arts, Sonderpädagogik, University of Jyväskylä, Finnland

Wenn Saara Nolvi nach Finnland zurückkehrt, wird sie neben ihrer klinischen Arbeit weiterhin an ihrem Forschungsprojekt zur Stressübertragung arbeiten. Die Kinder und Jugendlichen sowie ihre Familien, die sie vor ihrem Berlinaufenthalt betreute, freuen sich bereits auf ihre Rückkehr.

Das Gespräch schließen wir mit einem kleinen Gedankenspiel. Wir fragen sie, mit welchen drei Personen – lebendig oder tot – sie sich gern einmal zu einem fiktiven Dinner treffen würde. Hier ihre Antworten:

  • Barack Obama, denn Nolvi war sehr beeindruckt von der Autobiographie „Becoming“ von Michelle Obama
  • Professor Vivette Glover (Professorin am Imperial College London), denn sie ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der perinatalen Psychobiologie
  • David Bowie†, denn Nolvi mag seine Musik und seine inspirierende Persönlichkeit.

März 2020 / Marie Hoffmann