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Als Forscherin zurück auf die Hörsaalbank

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg: Im Falle von Jana Marie Schwarz könnte dieser Satz als Beschreibung ihres Lebenswegs nicht passender sein. Die Molekularmedizinerin kam für ihr Masterstudium der Molekularen Medizin von Ulm nach Berlin und erforscht seitdem das Krankheitspotenzial von DNA-Abschnitten. Doch das war ihr nicht genug – seit 2015 studiert sie zusätzlich Humanmedizin an der Charité. Während sie gleichzeitig einen Haushalt mit zwei kleinen Kindern führt, spielt sich ihr restliches Leben im ständigen Wechsel zwischen Hörsaal und Labor ab. Wie sie dazu kam und welche Pläne sie mit diesem unkonventionellen Lebenslauf verbindet, hat sie uns im Interview erzählt.

Frau Schwarz, eigentlich klingt eine Vollzeit-Stelle als Postdoktorandin so, als wäre man damit gut ausgelastet. Wie kamen Sie dazu, zusätzlich noch Medizin zu studieren?

In meiner Forschungsgruppe arbeiten viele Kinderärzte und wir untersuchen die Ursachen von genetisch bedingten, neuromuskulären Erkrankungen, an denen die Patienten unserer Klinik leiden. Ich beschäftige mich vor allem mit Methoden zur Auswertung der generierten Hochdurchsatz-Daten. Allerdings war es in der Vergangenheit so, dass ich die Patienten selbst nie gesehen habe und auch nicht wusste, wie es nach der Auswertung für sie weiterging. Bei Gruppentreffen hatte ich das Gefühl, dass ich immer nur einen Teil des Ganzen zu sehen bekam. Da Aufgaben wie die eigenständige Leitung einer Studie unter Arztvorbehalt stehen, empfand ich meinen Handlungsspielraum zunehmend als sehr eingeschränkt. Diesen Gedanken trug ich lange mit mir herum und informierte mich schließlich über ein Zweitstudium der Humanmedizin. Tatsächlich hat man als promovierte Biologin mit Forschungserfahrung gute Voraussetzungen und so studiere ich seit dem Wintersemester 2015 wieder an der Charité. Meine Kollegen waren zunächst etwas skeptisch, ob die Projekte darunter leiden würden, aber zu meinem großen Glück ist mein Chef, Herr Professor Schülke, ausgefallenen Lebensläufen gegenüber sehr aufgeschlossen. Bei bioinformatischen Projekten kann man außerdem zwischendurch oder abends arbeiten. Mittlerweile ist allen klar, dass ich die Projekte nicht vernachlässige.

Wie bekommen Sie das alles unter einen Hut?

Man muss den Anspruch ablegen, immer alles selbst zu machen, und delegieren können. Trotzdem muss man natürlich effizient arbeiten, was bei Laborexperimenten allerdings nicht immer geht. In der Bioinformatik ist das etwas einfacher. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ich meine Arbeitszeiten sehr frei einteilen kann. Die Charité ist im Vergleich zu anderen Universitäten außerdem sehr familienfreundlich, sowohl gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, als auch bei Studierenden. Beispielsweise darf man sich den Stundenplan individuell zusammenstellen, wenn man Kinder hat, und die von studierenden Müttern ins Leben gerufene AG ProMedikids hat mir vor dem Studium sehr geholfen, unzählige offene Fragen zu klären. Auch hilft eine gute Absprache mit dem Partner. Natürlich verbringe ich weniger Zeit mit meinen Kindern als jemand, der jeden Tag um 16 Uhr nach Hause kommt. Dafür gebe ich ihnen schon früh Selbstständigkeit mit auf den Weg. Letztendlich muss man aber auch Mut zur Lücke haben, ich kann einfach nicht die gleiche Zeit wie andere Studierende in Klausurvorbereitungen investieren.

Was ist das Schönste für Sie an diesem Lebensentwurf?

Ich habe meine Leidenschaft zu meinem Beruf gemacht. Ich empfinde es als ein Privileg, morgens nicht das Gefühl zu haben, einfach nur zur Arbeit zu gehen.

Jana Marie Schwarz

Förderprogramm

Deutschlandstipendium

Förderzeitraum

2016 bis 2019

Fachgebiet

Humanmedizin, Translational Genomics

Institution

Charité – Universitätsmedizin Berlin

 

Seit 2015

Zweitstudium der Humanmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin

Seit 2013

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin im Exzellenzcluster NeuroCure und der Arbeitsgruppe "Translational Genomics"

2009 bis 2013

Naturwissenschaftliche Promotion im Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie an der Freien Universität Berlin

Es ist nicht so, dass ich keine anderen Interessen habe, aber ich war schon immer zielstrebig und habe lieber einen vollen Tag als Langeweile. Allerdings ist diese Zufriedenheit erst so richtig durch das neue Studium gekommen. Mittlerweile bearbeite ich auch zunehmend Projekte mit mehr Patientenbezug, was meine Zufriedenheit nochmal steigert.

Was braucht man außer Mut, um unkonventionelle Wege zu gehen?

Ich sage mal: Etwas Willen zum Wahnsinn (lacht). Wenn man wirklich von etwas überzeugt ist, muss man es eben versuchen. Sonst wirft man sich den Rest des Lebens vor, es nicht versucht zu haben. Natürlich gibt es keine Garantie, dass alles so funktioniert wie geplant. Man muss schon für den Schritt ins Ungewisse gemacht sein. Die Förderung durch die Stiftung Charité verstehe ich als Anerkennung für einen etwas ungewöhnlichen Lebensweg. Andererseits ist sie natürlich eine finanzielle Unterstützung im Alltag und sorgt dafür, dass ich von gewissen Aufgaben entlastet bin. 

Was genau fasziniert Sie an Ihrem Forschungsgebiet?

Während eines Praktikums habe ich mich mit DNA Mutationen befasst und kam darüber in den Bereich der Bioinformatik. Zuerst dachte ich: Sequenzieren, wie langweilig! Doch die Bioinformatik dahinter stellte sich dann überraschend spannend heraus. Wir entwickelten ein Computerprogramm, um vorherzusagen, ob eine neu entdeckte Mutation eine Krankheit auslösen kann oder nicht. Die Erkenntnis, welche Patientenschicksale damit verbunden sind, war dann ausschlaggebend für mich. Bei einer einzelnen seltenen Erkrankung gibt es kein großes Patientenkollektiv wie bei den sogenannten Volkskrankheiten, aber es stecken immer ein Mensch und eine Geschichte dahinter.

Durch die Kombination von Bioinformatik und Medizin habe ich endlich das medizinische Wissen, um Symptome einzuordnen, und gleichzeitig das methodische Wissen, um die Daten bioinformatisch auszuwerten. Anhand dieser Kombination kann ich später eine Verdachtsdiagnose stellen, die Diagnostik durchführen, Daten auswerten und anschließend im Gespräch mit den Patienten eventuelle Optionen für ihre Therapie ausarbeiten. Mir ist es wichtig, mit Menschen zusammenzuarbeiten und nicht nur vor dem Computer zu sitzen.

Wo sehen Sie sich mit diesem Lebensentwurf in 30 Jahren?

Mein Traum wäre es, mich noch ein paar Jahre in der Forschung auszutoben. Nach Abschluss des Studiums möchte ich als Assistenzärztin in der Klinik arbeiten und später meinen Facharzt machen. Danach kann ich mir auch gut vorstellen, in einer Praxis angestellt zu sein. Für mich ist klar, dass ich als Ärztin arbeiten möchte. Ich studiere nicht nur, um großartige Studien durchzuführen. Ich möchte in 30 Jahren vielen Patienten zu einer Diagnose verholfen und sie ein Stück weit auf ihrem Weg begleitet haben.

Juli 2017 / MM