Detektivarbeit am OP-Tisch
Andrej Trampuz leitet am Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie der Charité die noch relativ junge Abteilung der septischen Chirurgie. Im Rahmen seines von der Stiftung Charité geförderten BIH Clinical Fellowships analysiert er auf der Station von 2013 bis 2015 gesammelte Daten und Proben. So sollen neue Erkenntnisse über die Septische Chirurgie gewonnen und die klinische Arbeit des Centrums verbessert werden:
Herr Dr. Trampuz, wie kamen Sie an die Charité?
Bevor ich an die Charité kam, habe ich 15 Jahre in der Schweiz gearbeitet und interessierte mich für den Bereich der Tropenmedizin. Deshalb ging ich unter anderem für ein halbes Jahr an ein Krankenhaus in Sambia. Dort habe ich sehr viel gelernt, doch zurück in der Schweiz bestand die Tropenmedizin hauptsächlich aus Impfungen von Reisewilligen – das hat mich wenig gereizt. Infektionen bei Implantationen hingegen bereiten uns auch hier große Probleme, denn Implantate werden sehr häufig verwendet – sei es ein Shunt, ein Schrittmacher, ein Katheter oder Gelenke. So haben sich Infektionen von Fremdmaterial zu meinem neuen Fachgebiet entwickelt.
In der Schweiz und in Slowenien wurde ich zum Facharzt für Innere Medizin und Infektionskrankheiten ausgebildet. In Deutschland gibt es jedoch keine Facharztausbildung für Infektiologie und viele Aspekte werden von anderen Fachrichtungen abgedeckt, insbesondere von Internisten. Das führt leider dazu, dass sich wenige Ärzte mit chirurgischen Infektionen befassen, obwohl diese häufig auftreten. Die Chirurgen an der Charité haben das erkannt und deshalb vor vier Jahren die septische Chirurgie und somit meine Stelle neu geschaffen.
Was ist denn das Neue an der septischen Chirurgie?
Wir sind Experten für Infektionen, die in Verbindung mit chirurgischen Eingriffen auftreten. Das Besondere an unserer Station ist, dass alle Patienten sowohl von einem Chirurgen als auch einem auf Infektionen spezialisierten Internisten betreut werden. Damit meine ich nicht nur eine Zusammenarbeit auf dem Papier, sondern dass wirklich zusammen mit dem Patienten gesprochen wird. Alle Fragen können somit von dem jeweiligen Experten beantwortet werden. In der Regel sind drei bis vier Ärzte für einen Patienten zuständig, wodurch wir den Behandlungserfolg deutlich verbessern. So steigt nicht nur die Lebensqualität der Patienten, auch die Folgekosten für das Gesundheitssystem können reduziert werden. Unser Konzept lässt sich bei allen Arten chirurgischer Eingriffe anwenden und der Bedarf an der Charité ist entsprechend hoch.
Förderprogramm
BIH Clinical Fellows
Förderzeitraum
2015 bis 2017
Fachgebiete
Infektiologie, Orthopädie, Unfallchirurgie
Vorhaben
Neue diagnostische und therapeutische Methoden für die Behandlung von periprothetischen Infektionen
Institution
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Seit 2013
Leiter der septischen Abteilung des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité -- Universitätsmedizin Berlin
Seit 2013
Gründer der Stiftung PRO-IMPLANT
2001 bis 2004
Postdoktorand an der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, USA
Hier nutzt man ein Ultraschallbad, das jede Klinik zum Reinigen von chirurgischen Geräten besitzt. In dieses legt man das aus dem Körper entfernte Implantat. Dadurch kann man die Bakterien identifizieren, die sonst als Biofilm am Implantat kleben. Dann kann man die Therapie gezielt auf ihre Bekämpfung ausrichten. Im Moment forschen wir an Bakteriophagen, also Viren, die nur Bakterien infizieren. Wir setzen somit quasi die Waffe der Natur gegen unseren Gegner ein und eliminieren nur die Bakterien. Das schadet den körpereigenen Zellen nicht und führt kaum zu Nebenwirkungen oder Resistenzen.
Auch gibt es auf dem Gebiet noch viel Evaluierungs- und Forschungsbedarf, sodass wir uns seit Beginn stark vergrößert und mittlerweile ein Team von 21 Leuten aufgebaut haben. Die Stellen sind aber größtenteils drittmittelfinanziert und wir müssen einen Weg finden, diese Finanzierung zu verstetigen. Ich würde mir wünschen, dass das Besondere der Struktur erkannt, gesichert und weiterentwickelt wird – vor allem in Hinblick auf die Kombination von Infektionen und anderen Fächern als der Chirurgie.
Und wie kam denn der Schritt von der Klinik in die Forschung?
Ich hatte schon immer Spaß an translationaler Forschung: Probleme in der Klinik entdecken, sie dann ins Labor tragen, um eine Lösung zu finden – und die Lösung dann zurück zum Patienten bringen. So haben wir neue Methoden entwickelt, zum Beispiel eine diagnostische Methode namens Sonikation.
Was bereitet Ihnen die meiste Freude am Forschen?
Ich habe große Freude an der Detektivarbeit: herauszufinden, was jemandem fehlt und wie man das heilen kann. Mir ist es wichtig, sich nicht nur auf Laborwerte und Bildgebung zu verlassen, sondern mit den Patienten zu sprechen. Das Besondere an meinem Beruf sind nämlich die Patienten. In den letzten Jahren ist mir aber auch immer mehr das Lehren ans Herz gewachsen. Es ist schön zu sehen, wie steil die Lernkurve bei den jungen Medizinerinnen und Medizinern ist.
Aber es gibt doch bestimmt auch Herausforderungen?
In der Forschung ist es so, dass ein großer Teil nicht funktioniert. Damit muss man leben und es akzeptieren. Wichtig ist, den funktionierenden Teil gut zu nutzen, um voranzukommen und die Dinge in einer langfristigen Perspektive zu betrachten. Das versuche ich auch Nachwuchskräften zu vermitteln, wenn ihre Forschung nicht die erhofften Resultate liefert. Zusätzlich halte ich es für wichtig, im Team zusammenzuarbeiten. Man hilft anderen, aber bekommt auch Hilfe zurück – nur so kann man weiterkommen.
Dezember 2017 / MM