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„Global ist HIV nach wie vor eine große Herausforderung“ – im Gespräch mit dem Arzt und Wissenschaftler, der die HIV-Forschung in Berlin stärkt

Dr. Christian Gaebler verstärkt seit 2023 die Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Schon einmal hat er in der Hochschulmedizin der Hauptstadt gearbeitet, wenn auch in ganz anderer Rolle: vier Jahre seiner Zeit als Assistenzarzt hat er hier verbracht. Seine Rückkehr aus den USA ist ein Glücksfall für die Berliner Lebenswissenschaften, aber kein zufälliger: Dem Glück konnte mit einem Recruiting Grant der Stiftung Charité entscheidend auf die Sprünge geholfen werden. Eigens für Gaebler wurde die Professur für translationale Immunologie viraler Infektionen geschaffen. Als Star von morgen bezeichneten ihn heutige Charité-Kollegen in der Anbahnungsphase seiner Rekrutierung. Sie sollten recht behalten. In den vergangenen beiden Jahren wurde er u. a. mit dem Deutschen AIDS-Preis der Deutschen AIDS-Gesellschaft ausgezeichnet (2023) und gleich zwei Jahre in Folge „Highly Cited Researcher“ (2023 und 2024). Daneben hat er einen ERC Starting Grant eingeworben. Wir haben Gaebler auf dem Campus Virchow-Klinikum getroffen, um mit ihm über sein Forschungsfeld sowie aktuelle Vorhaben zu sprechen, aber auch die letzten, turbulenten Jahre zu reflektieren.

Herr Professor Gaebler, wie kamen Sie zu Ihrem Forschungsgebiet? Sie haben sich ja bereits in Ihrer – später preisgekrönten – medizinischen Doktorarbeit in Dresden mit HIV/AIDS beschäftigt. 

Mein wissenschaftliches Interesse galt ursprünglich der Immunologie – also gewissermaßen dem Gegenpart der Infektiologie. Mich faszinierte weniger der Erreger selbst als die Frage, wie unser Körper mit Krankheitserregern umgeht. Auf der Suche nach einem Promotionsthema führte mich dieser Fokus ans Institut für Immunologie in Dresden. Dort sammelte ich erste Erfahrungen, bereits mit dem Plan, für meine Doktorarbeit in die USA zu gehen. 2010 ergab sich dann die Gelegenheit, im Labor für molekulare Immunologie der Rockefeller Universität unter Michel C. Nussenzweig zu arbeiten. Das war eine äußerst spannende Zeit, da sich gerade neue Methoden in der molekularen Immunologie entwickelten. Wir konnten erstmals Gedächtnis-B-Zellen, die für die Antikörperbildung in unserem Immunsystem verantwortlich sind, auf Einzelzellebene untersuchen. Genauer: Durch Antikörper-Klonierung war es uns möglich, einzelne Antikörper zu identifizieren, sie in größeren Mengen zu produzieren und daraus Rückschlüsse auf die Immunantwort im Körper zu ziehen.

Diese methodischen Fortschritte führten zu einem Durchbruch in der HIV-Forschung. Bis dahin ging man davon aus, dass das HI-Virus für unser Immunsystem zu komplex sei, um wirksame Antikörper dagegen zu bilden. Mit unseren neuen Untersuchungsmethoden konnten wir jedoch nachweisen, dass dies ein Trugschluss war – die bisherigen Methoden waren schlicht nicht präzise genug. Das war eine wahnsinnig intensive Zeit während meiner Doktorarbeit, in der wir Resultate erhielten, die so noch nie jemand gesehen hatte. Diese Entdeckungen prägten meinen weiteren Weg maßgeblich. Als Arzt und Wissenschaftler war es mir dabei immer wichtig, nicht nur grundlagenwissenschaftlich zu arbeiten, sondern auch den Transfer in die klinische Anwendung im Blick zu behalten. So begannen wir bereits damals, die therapeutischen und präventiven Potenziale unserer Erkenntnisse auszuloten.

Christian Gaebler

Förderprogramm
Recruiting Grants

Förderzeitraum
2022 – 2024

Fachgebiet
Immunologie, Infektiologie

Vorhaben
Professur für translationale Immunologie viraler Infektionen

Institution
Charité – Universitätsmedizin Berlin

 

2024
ERC Starting Grant für das Projekt HIV CURE MISSION

2023 und 2024
Als „Highly Cited Researcher“ einer der meistzitierten Forschenden der Welt

Seit 2023
Professur für translationale Immunologie viraler Infektionen in der Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin der Charité

Wie ging es dann weiter? War ein Knackpunkt in der HIV/AIDS-Forschung erreicht? Und kann man die Methode, die Sie damals entwickelt haben, auch nutzen, um andere Krankheitserreger bzw. Antikörper zu entdecken – wird das gemacht?

Absolut. Unsere technologischen Entwicklungen haben uns in die Lage versetzt, komplexe biologische Fragen zu beantworten. Die Methode zur Untersuchung von Antikörpern wurde seitdem mehrfach auf verschiedene Fragestellungen und Krankheiten übertragen, beispielsweise auf Zika-Infektionen und chronische Hepatitis B. Und während der COVID-19-Pandemie haben wir das gleiche playbook, das wir in der Arbeit an HIV entwickelt haben, für SARS-CoV-2 adaptiert und genutzt. 

Die Methodik fand zudem nicht allein in der Grundlagenforschung Anwendung, sondern auch in der Industrie. Antiinfektive Antikörper-Therapien sind ein relativ junges Forschungs- bzw. Anwendungsfeld, das durch COVID-19 besonders relevant wurde. Ein prominentes Beispiel sind die Antikörper von Herstellern wie Regeneron, Eli Lilly oder VIR, die vielfach eingesetzt wurden, um COVID-19 zu behandeln. Diese pharmazeutischen Medikamente wurden mit eben den Methoden produziert, die wir ursprünglich im Rahmen unserer HIV-Forschung eingesetzt haben.

Spannend! Wir springen ein wenig in der Zeit: Sie haben Ihre Professur in der Klinik für Infektiologie und Intensivmedizin, die wir mit einem Recruiting Grant unterstützt haben, im November 2023 angetreten. Nach knapp zwei Jahren an der Charité – wie lautet Ihr erstes Fazit? Sind Sie gut angekommen im neuen Arbeitsumfeld? 

Ja, ich denke das bin ich! Ich bin tatsächlich schon seit Januar 2023 hier und habe mich erstmal um den Aufbau meiner Arbeitsgruppe gekümmert – die Berufung dauerte noch einen Moment. Aber es stimmt, seit ziemlich genau zwei Jahren leite ich mittlerweile meine eigene Forschungsgruppe, habe also eine ganz neue job description im Vergleich zu vorher. Der Wechsel vom Assistant Professor in New York zum Arbeitsgruppenleiter und Professor in Berlin war herausfordernd – ich musste mich in eine neue Rolle und Arbeitsumgebung einfinden, selbst wenn ich die Charité bereits aus meiner Zeit als Assistenzarzt kannte. Aber es hat sich hier selbstverständlich viel verändert zwischen 2018 und 2023! Damals war ich zudem sehr klinisch tätig, jetzt hauptsächlich wissenschaftlich. Und dann habe ich auch noch unter dem Einfluss der Pandemie hier angefangen. Aber der Aufbau einer Arbeitsgruppe ist immer kompliziert: Man muss die richtigen Mitarbeitenden finden, Strukturen aufbauen, die Bürokratie im Haus verstehen und natürlich Forschungsgelder einwerben. Das erste Jahr ist also für gewöhnlich holprig, so spiegelten mir auch meine Mentor*innen. 

Mittlerweile haben wir hier ein starkes Team und zusammen eine sehr gute Arbeitsumgebung geschaffen. Darauf bin ich stolz. Jetzt können wir uns auf unser Forschungsfeld konzentrieren, das meiner Meinung nach in Berlin noch unterbesetzt ist. Das war mit ein Grund für mich, hierher zurückzukehren. Denn Berlin hat gleichzeitig deutschlandweit die größte Community an Menschen mit HIV. Als Charité waren wir außerdem maßgeblich beteiligt an echten Wissenschaftsdurchbrüchen wie der Heilung des sogenannten Berliner Patienten und jetzt des zweiten Berliner Patienten. Aber in den letzten Jahren ist die Forschung an HIV hier etwas von der Bildfläche verschwunden. Das will ich wieder ändern.

Die Community ist ein gutes Stichwort. Sie spielt in Ihrem Forschungsbereich eine besondere Rolle. Wie zeigt sich das? 

Die Beziehung zur Community ist für uns fundamental. Schon in der Sprache ist es wichtig, Respekt zu zeigen: Wir sprechen von ‚Menschen mit HIV‘ – nicht etwa von ‚Infizierten‘, was stigmatisierend wäre. Manchmal kann man sich natürlich auch über Begrifflichkeiten streiten, denn von HIV-infizierten Zellen kann und sollte man denke ich schon sprechen. Das ist ein wissenschaftlicher Ausdruck. Nur eben im Kontext von Personen nicht. Da gibt es inzwischen klare language guidelines. Diese Sensibilität, die sich da sprachlich abbildet, ist historisch gewachsen – entstanden aus der absoluten Aussichtslosigkeit der 1980er und 90er Jahre, als zudem Wissenschaft hauptsächlich über die Köpfe der Betroffenen hinweg betrieben wurde und das gesellschaftliche Stigma immens war. Das war ein langer, steiniger Weg für Menschen mit HIV bis zu dem Punkt, an dem wir heute stehen. Die Community gibt uns wichtiges Feedback, etwa wenn wissenschaftliche Beiträge doch einmal verletzende Sprache verwenden. Das ist nicht immer einfach für uns in der Wissenschaft, die wir nicht unbedingt kommunikativ geschult sind. Aber die Mitsprache von Menschen mit HIV bei dem, was wir tun, ist essenziell.

Wie prägt diese Überzeugung Ihr Handeln? 

Als Neuzugang hier in Berlin sehe ich es als meine Aufgabe zu vermitteln, wer ich bin, was mein Team und ich wollen, was unsere Ziele sind. Das muss geschehen in Richtung anderer wissenschaftlicher Gruppen, mit denen wir Berührungspunkte haben und selbstverständlich in Richtung der Patient*innen, ihrer Angehörigen und ihrem weiteren Umfeld. Auch wenn heutzutage viel außerhalb der Uniklinik stattfindet, nämlich in Schwerpunktpraxen, ist die Charité ja auch Behandlerin. Denn es gibt eben doch noch kompliziertere Verläufe und – wenn auch selten – auch noch das Vollbild AIDS, leider. 

Wir arbeiten daher eng mit Organisationen wie der Berliner AIDS-Hilfe, der deutschen AIDS-Hilfe, dem Checkpoint Berlin und anderen Gesundheitseinrichtungen zusammen, um in Kontakt zu sein. Unsere Community-Arbeit reicht von Filmveranstaltungen bis hin zum direkten Austausch. Gerade in der klinischen Forschung sind wir darauf angewiesen, wirklich motivierte Studienteilnehmende zu finden. Die bekommen wir auch. Mich beeindruckt der altruistische Geist, der unter Menschen mit HIV herrscht: Ihnen ist bewusst, wie sehr sie selbst von den Erkenntnissen aus klinischen Studien profitieren, die in der Vergangenheit gelaufen sind – also nehmen sie heute teil, um ihren Teil zu zukünftigen Therapien beizutragen. 

Es ist eine Wechselbeziehung, keine Einbahnstraße – wir lernen beständig von der Community, und sie unterstützt unsere Forschung.

HIV gilt vielen als mehr oder minder „gelöstes Problem.“ Das gesellschaftliche oder mediale Interesse scheint abseits von Jahrestagen oder der Verkündung großer Forschungsdurchbrüche eher gering. Welche Aspekte des Virus bzw. der Krankheit – oder der Forschung an HIV/AIDS – verdienen Ihrer Ansicht nach mehr Aufmerksamkeit?

Wir müssen aufpassen, HIV nicht als abgeschlossenes Kapitel zu betrachten, nur weil wir heute gute Therapien haben. Heilen können wir die Menschen in der Breite bis heute nicht! Die Erfolge in der HIV-Behandlung sind hart erkämpft und nicht in Stein gemeißelt. Global ist HIV nach wie vor eine große Herausforderung. Leider beobachten wir erneut das Erstarken antiwissenschaftlicher Strömungen sowie politische Entscheidungen, die diese Erfolge gefährden und Menschenleben kosten. 

So viel vorab! Nun zu Ihrer Frage: Ein besonders wichtiges und oft übersehenes Thema ist der Geschlechterbias in der HIV-Forschung. Wir konzentrieren uns im globalen Norden häufig auf Männer mit HIV, obwohl weltweit gesehen mehr Frauen betroffen sind. Auch die ethnische Diversität unter den Studienteilnehmenden verdient in der Erforschung des Virus meines Erachtens mehr Beachtung. Die HIV-Subtypen, die wir in westlichen Ländern erforschen, unterscheiden sich von denen, die weltweit und insbesondere in Regionen des globalen Südens am weitesten verbreitet sind. Da HIV ein sehr variables Virus ist, hat das Auswirkungen auf Forschungserkenntnisse, Therapie und Prävention.

Besonders deutlich wird der Gender-Bias bei klinischen Studien: Als wir in Berlin eine Beobachtungsstudie starten wollten, bekamen wir von der Ethikkommission die Auflage, schwangere Frauen mit HIV auszuschließen. Dabei werden weltweit jährlich etwa 160.000 Neugeborene durch die vertikale Transmission des Virus von der Mutter auf das Kind infiziert. Wenn wir schwangere Frauen von vornherein aus Studien ausschließen, entstehen bzw. vergrößern sich unsere Wissenslücken, was diese Population angeht. Ich will damit nicht die Ethikkommission anschwärzen – die macht ihren Job. Die Risiken sind richtigerweise immer dem potenziellen Erkenntnisgewinn gegenüberzustellen. Aber wir müssen auch den potenziellen Schaden mitdenken, der entsteht, wenn wir Frauen so kategorisch ausschließen.

Können Sie das konkret machen?

Ja, gerne. An der Charité betreuen wir jährlich 50 bis 70 schwangere Frauen mit HIV. Ich war überrascht über die Zahl, als ich sie das erste Mal hörte, denn sie ist nicht klein! Wir haben hier aber auch sehr gute Bedingungen für ihre Behandlung, daher kommen die Frauen aus dem Großraum Berlin eigentlich alle zu uns: Infektiologie, Geburtsmedizin und Pädiatrie arbeiten hier auf dem Campus Virchow-Klinikum eng zusammen. Das ist zugleich ein gutes Argument dafür, jetzt gezielt eine Mutter-Kind-Kohorte aufzubauen. Wir wollen verstehen, wie sich eine chronische HIV-Infektion während der Schwangerschaft verhält. Diese Erkenntnisse könnten helfen, die Virusübertragung von der Mutter auf das Kind noch besser zu verhindern – und das wäre besonders wichtig für Regionen der Welt mit hohen Neuinfektionsraten.

Was würden Sie als Ihren größten beruflichen Erfolg beschreiben, was vielleicht als Ihre größte Niederlage?

Mein größter Erfolg ist für mich nicht ein einzelnes Paper, sondern die gelungene Verbindung von Grundlagenwissenschaft mit klinischer Forschung. Auf die Dauer halten das viele – auch wohlmeinende Mentor*innen – für schwer vereinbar. Aber es macht die Natur des Physician Scientist aus, und als solcher verstehe ich mich. In den USA habe ich gesehen, dass es möglich ist, klinisch ebenso wie im Labor zu forschen, und das große Ziel Translation im Blick zu behalten. Mir ist es bisher gelungen. 

Die größte Herausforderung war die Anfangsphase der COVID-19-Pandemie in New York. Mit einem kleinen Kind in einer von der Pandemie schwer getroffenen Stadt und gleichzeitig mit drängenden wissenschaftlichen Fragen konfrontiert, war die Situation äußerst belastend.

Als HIV/AIDS-Mediziner haben Sie die COVID-19-Pandemie aus einer besonderen Perspektive erlebt. Welche Erkenntnisse haben Sie aus dieser Zeit mitgenommen?

Als Expert*innen konnten wir im New Yorker Labor zu Beginn der Pandemie schnell unsere Erfahrungen mit anderen viralen Erregern einbringen – von unserem Wissen über Infektionsverläufe über Forschungsmethoden bis hin zu ganz praktischen Arbeitsabläufen. Obwohl in der Zeit viele Labore ihre Arbeit auf COVID-19 umstellten, waren wir durch unseren Hintergrund in der HIV-Forschung in der Position, besonders schnell reagieren zu können. Die Pandemie hat uns aber auch Demut gelehrt. Einerseits konnten wir in kurzer Zeit viel lernen, andererseits wurde uns immer wieder bewusst, wie sehr wir an der Oberfläche kratzten. Besonders beeindruckend war der wissenschaftliche Prozess selbst: Die gesamte wissenschaftliche Gemeinschaft arbeitete zusammen an diesem einen, drängenden Thema und wir haben dann ja auch wirklich Riesensprünge gemacht.

Ein prägendes Erlebnis war für mich die Zusammenarbeit mit einem Gastroenterologen im Sommer 2020. In Biopsien, die im Rahmen von regelhaften Darm- und Magenspiegelungen entnommen wurden bei Personen, die COVID-19 zu dem Zeitpunkt glücklicherweise überstanden hatten, fanden wir unter dem Elektronenmikroskop überraschend Viren – mehrere Monate nach der Infektion. Das war unerwartet, da Coronaviren biologisch anders gestrickt sind als HI-Viren, und wir eigentlich kein persistierendes Virus erwartet hatten zu finden. Diese Entdeckung warf eine Menge Fragen auf und zeigt vielleicht ganz gut, wie wichtig es ist, die eigenen wissenschaftlichen Annahmen immer wieder zu hinterfragen und offen für neue Erkenntnisse zu bleiben. Das ist meine wichtigste Lehre aus der Pandemie.

Wie steht es um unsere pandemic preparedness heute? So ganz aufgearbeitet scheint die COVID-19-Pandemie noch nicht. Wie ist Ihr Eindruck?

Aus wissenschaftlicher Sicht war die Pandemie ein beeindruckendes Beispiel für die Leistungsfähigkeit internationaler Forschungskooperation. Wir haben nicht nur in Bezug auf COVID-19 enorme Fortschritte gemacht – etwa in der Impfstoffentwicklung –, sondern auch viele Erkenntnisse gewonnen, die wir auf andere Infektionen übertragen können. Die Pandemie hat gezeigt, was möglich ist, wenn die gesamte wissenschaftliche Gemeinschaft an einem Strang zieht.

Die gesellschaftliche Dimension ist deutlich komplexer. Wir sind alle erschöpft von der Pandemie, aber das ändert nichts an der biologischen Realität: Die Gefahr weiterer Pandemien ist unverändert hoch. Während wir wissenschaftlich meines Erachtens gut gerüstet sind und im Ernstfall wieder schnell reagieren könnten, bleibt die gesellschaftliche und politische Bewältigung wohl die größere Herausforderung.

An der Wand hier über dem Tisch, an dem wir sitzen und sprechen, hängt ein schwarz-weißer Druck – eine stilisierte Karte von Manhattan. Nach all den Jahren in New York City und an der Rockefeller Universität: Was vermissen Sie, was ist anders in Berlin und an der Charité?

Da vergleichen wir jetzt Äpfel und Birnen! Die Rockefeller University ist ein kleines, sehr fokussiertes Forschungsinstitut, die Charité dagegen ein riesiges Universitätsklinikum. Manchmal vermisse ich die kurzen Wege und die Wendigkeit der kleineren Institution. Andererseits bietet die Charité den direkteren Zugang zu Patient*innen – beides hat seine Vor- und Nachteile.

Ähnlich verhält es sich mit den Städten selbst. New York ist für mich mehr als nur ein früherer Arbeitsort: Meine Kinder sind dort geboren, ich habe dort in den letzten 15 Jahren die Hälfte meines Lebens verbracht. Die Stadt ist bis heute ein wichtiger Teil meiner Biografie. New York ist eine Metropole von Weltrang, Berlin vielleicht noch nicht ganz.

Gaebler lacht. 

Aber das hat natürlich auch etwas für sich!

Dr. Nina Schmidt
Januar/Februar 2025