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Über Hindernisse, Zuversicht und Großmut

Ahmed Farghaly studiert seit eineinhalb Jahren Humanmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er wird von der Stiftung Charité als Deutschlandstipendiat gefördert. Im Dezember 2020, als wir ihn virtuell zum Interview treffen, befindet er sich pandemiebedingt mitten im Hybridsemester. Wir sprechen mit ihm über sein Studium und sein Engagement in Pandemiezeiten sowie über seinen außergewöhnlichen Werdegang, der ihn von Ägypten nach Berlin führte.

Herr Farghaly, zunächst sah es gar nicht danach aus, dass Sie Medizin studieren würden. Sie schwankten zwischen Medizin und Informatik. Was gab der Medizin den Zuschlag?

Ich war in der Schule sehr gut in Informatik und nahm für Ägypten auch an den Qualifikationsrunden für die internationale Informatik-Olympiade teil. Ich mag die Lösungsorientierung beim Programmieren, aber ich habe mich in der Welt der Informatik nie ganz am rechten Platz gefühlt. Ich möchte in den Leben anderer direkt etwas bewirken. Man kann zwar auch als Programmierer Menschenleben verbessern, aber eben nicht so direkt wie als Mediziner. Um herauszufinden, ob die Medizin mir wirklich besser gefällt, bin ich 2017 für eine kurze ehrenamtliche Arbeit nach Nepal gegangen. In Kathmandu habe ich in einem Kinderkrankenhaus gearbeitet. Dort habe ich sehr nah erfahren, dass Medizin tatsächlich etwas anderes ist und dass Gesundheit der größte Segen ist, den man bekommen kann. Nicht Geld, Ruhm oder Macht – es ist immer Gesundheit.

Seit 2019 studieren Sie nun Humanmedizin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Wie gefällt es Ihnen?

Sehr. Ursprünglich hatte ich vor, im englischsprachigen Ausland zu studieren, aber die Studiengebühren waren für meine Familie unbezahlbar. Dann erfuhr ich auf einer Schulreise in Berlin, dass viele deutsche Universitäten auch für internationale Studierende kostenfrei sind. Zurück in Ägypten lernte ich intensiver Deutsch – eigentlich meine dritte Fremdsprache. Dann bewarb ich mich nach meinem Schulabschluss hier in Berlin und bekam tatsächlich den Studienplatz. Das Medizinstudium hier finde ich großartig. Der Modellstudiengang hat den schönen Vorteil, dass man früh Einblicke in die klinische Arbeit bekommt. Und dieser klinische Einblick macht mir ganz besonders viel Spaß. Wir lernen so viel Anatomie, so viel Physiologie, und so sieht man direkt die Anwendungsmöglichkeiten.

Ahmed Farghaly

Förderprogramm
Deutschlandstipendium

Förderzeitraum
Seit 2020

Fachgebiet
Humanmedizin

Institution
Charité – Universitätsmedizin Berlin

 

Seit 2020
Wissenschaftliche Hilfskraft, Charité Berlin Brandenburg Centre for Regenerative Therapy (BCRT)

Seit 2019
Medizinstudium an der Charité – Universitätsmedizin Berlin

2004 bis 2018
Future International School, Alexandria, Ägypten

Sie hatten kaum Ihr Studium begonnen, da veränderte die SARS-CoV-2-Pandemie alles.

Ja, es war eine große und plötzliche Umstellung, aber die Qualität des Unterrichts hat kaum gelitten. Die Dozenten sind sehr engagiert und bereiten tolle Vorlesungsaufzeichnungen für uns vor. Auch die Online-Seminare finde ich sehr gut. Aber wir sind nun einmal soziale Lebewesen. Da fehlt auf jeden Fall etwas, und es ist für viele auch psychologisch schwierig. Ich arbeite derzeit an einer Corona-Studie mit, sodass ich auch immer nach draußen komme. Ich glaube, dass man als Medizinstudent und späterer Arzt die Verantwortung hat, in dieser Pandemie zu helfen. In meiner Arbeit habe ich viel Kontakt mit positiven Fällen. Deshalb reduziere ich meine sozialen Kontakte auf ein Minimum, aber dennoch nicht so sehr, dass ich vereinsame. Ohne die Medizinstudenten, die Ärzte, die Pfleger, die Kontakt mit positiven Fällen haben, könnten wir keine Abstriche machen oder Blut entnehmen, um mehr über diesen Erreger und diese Pandemie zu erfahren und die Dinge besser zu verstehen.

Was ist Ihre bisher wichtigste persönliche Lektion aus der Pandemie?

Die Menschheit ist so weit fortgeschritten – ob wissenschaftlich, technologisch oder kulturell –, aber die Pandemie erinnert uns daran, dass wir eben doch verletzlich sind und längst nicht alles wissen. Das beziehe ich auch auf mich. Ich werde niemals alles wissen, aber es ist wichtig, besser zu werden und mehr zu verstehen.

Das Studium und der Start in Berlin waren für Sie auch sprachlich eine Herausforderung.

Das war wirklich schwierig. Ich kam einen Monat nach Semesterbeginn an, weil es Verzögerungen mit dem Visum gegeben hatte. Ich hatte keine Wohnung und habe die erste Zeit in einem Hostel gewohnt. Die Kultur war mir noch nicht vertraut, und Deutsch als Unterrichtssprache zu haben, war wirklich schwer. Meine Muttersprache ist Arabisch. Englischsprachigen Unterricht war ich gewohnt, weil ich in Ägypten auf einer internationalen Schule war. Am Anfang verstand ich hier nur etwa 20% von einer Vorlesung, aber Schritt für Schritt ist alles besser geworden.

Neben dem Studienpensum engagieren Sie sich in Ihrer Freizeit auch noch ehrenamtlich. Wen unterstützen Sie?

Ich engagiere mich bei zwei Organisationen. Zum einen bin ich Arabisch-Dolmetscher für Triaphon. Das ist ein telefonischer Dolmetscherdienst für Krankenhäuser. Wenn es akuten Übersetzungsbedarf zwischen Patienten, Angehörigen und Klinikpersonal gibt, kann man uns anrufen und wir dolmetschen durchs Telefon. Zum anderen bin ich einer von mehreren arabischsprachigen Mentoren bei der Organisation Back on Track e.V. Jeder von uns betreut ein Kind oder mehrere Kinder. Die meisten von ihnen sind Flüchtlinge. Wir geben ihnen Nachhilfe und unterstützen sie sprachlich. Viele der Kinder haben ein tolles Potential und sind schlau, aber die sprachliche Hürde ist wirklich ein gravierendes Problem für sie. Sie verlieren dadurch leicht das Selbstvertrauen. Ich kenne das gut aus eigener Erfahrung. Deshalb kann ich mich gut in diese Kinder hineinversetzen. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir diesen Kindern dabei helfen, ihr richtiges Potenzial zu entfalten.

Zum Schluss noch eine Frage für die Fantasie. Mit wem würden Sie sich gern einmal zu einem fiktiven Dinner treffen?

Das ist eine gute Frage. Meine Runde würde bestehen aus dem berühmten arabischen Arzt Avicenna, der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem ägyptischen Arzt Magdi Yacoub. Letzterer hat in Großbritannien studiert und dort lange als Herzchirurg gearbeitet. Im fortgeschrittenen Alter ist er nach Ägypten zurückgekehrt, um ein großes Herzzentrum für Kinder aufzubauen. Ewas Ähnliches möchte ich eines Tages auch machen.

Dezember 2020 / Marie Hoffmann